Die Welt des Wolfs


Der Baum der Erkenntnis

Ein Spiel zwischen unten und oben




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1.

Es wächst ein alter Baum
in manchem wahrem Traum,
der trägt Früchte, süß und zart,
die sind von ganz besonderer Art.

Von den gleichen Wurzeln genährt,
haben sie einen gegensätzlichen Wert,
vom gleichen Stamm entsprungen,
sind sie doch verschieden gelungen.

Es sagt manch antiker Interpretator,
es komme Gutes und Böses aus ihnen hervor,
und meint, es ist besser sie zu meiden,
weil es schwer ist, sie zu unterscheiden.

Doch siehst du mit geübter Schau
auf sie hin, dann bemerkst du genau,
dass sie Geschwister sind, die sich zieren,
weil sie einander herrlich komplettieren.

Keiner ist besser, keiner zu verachten,
es ist auf ihr gemeinsames Wirken zu achten,
wie Kinder zeigen die beiden
das Antlitz ihres (verborgenen) Vaters von zweierlei Seiten.

Er selbst ist Eines, und einig ist seine Welt,
doch niemand weiss, warum es ihm gefällt,
sich zu teilen in zwei Versionen,
aus denen er schöpft ein Spiel zwischen zwei Zonen.

Wie ein Baum aus Wurzel und Krone sich gestaltet,
zwischen Erde und Himmel sein Wachstum entfaltet,
so spielt des Vaters Geschichte
zwischen dunklem Grund und hoch leuchtendem Lichte.

Doch er hat dabei wohl bedacht,
dass dieser Gegensatz nur dann Sinn macht,
wenn es eine Mitte gibt, in der sich einen,
die beiden scheinbar unversöhnlichen Feinde.

Wo immer die beiden Früchte reifen
und scheinbar fremd die Welt ergreifen,
gibt es zwischen ihen einen Übergang,
in dem sie sich treffen im gleichen Klang.

Wer sie trennt in gut und schlecht,
wird ihrem Wesen nicht gerecht,
nur wer sieht, wie es komplementär zusammen passt,
hat ihr Rätsel gelöst und erfasst.

Getrennt in Gegensätzen
ist ihr Geheimnis nicht zu schätzen,
ihre Wahrheit erscheint
nur miteinander vereint.

2. Die Erkenntnis dieses Baums
ist wie die Wahrheit eines Traums,
sie gibt niemand einzeln recht,
nichts ist für sich nur gut oder schlecht.

Jeder Teil ist Teil von Allem und gilt
auf seine Weise im ganzen Bild,
wer einseitig urteilt, wird nicht weiter kommen,
wer teilt, wird das Ganze nicht zu Gesicht bekommen.

Jede vereinzelte Erscheinung,
jedes Urteil und jede Meinung,
haben ihre kleine Position
im Urbild einer großen Interpretation.

In dieser Urgestalt, die nur ihr Vater kennt,
ist alles vereint und nichts getrennt,
so ist der Baum, mit jedem einzelnen Teil,
ein Sinnbild für dieses verborgenen Urquells Heil.

In ihm wird Getrenntes wieder vereint,
der Feind im Streit wird durch ihn zum Freund,
jeder verbleibende Hader ist nur ein Zeichen,
dass die Hände noch nicht ganz an seine Früchte reichen.

Statt nur zu warten, bis die Früchte (von selbst) fallen
und zu verbleiben in des Drachen Krallen,
kann jeder sich sich bemühen im Leben
und im auch im Spiel nach oben streben.

Erkenntnis reift nicht aus bequemem Ruhn',
sie will errungen werden durch übendes Tun,
sie fällt niemand von allein in den Schoß,
leer geht aus, wer auf sie wartet bloß.

Der Verstand mag irren, doch des Herzens Geist
zeigt die Richtung, die nach oben weist,
bleibe nicht haften in der Wurzeln Geflecht,
widerstehe der Schwerkraft, die dich schwächt.

Verbleibe nicht in der Angst des Alten,
werde jung, lasse das Kind in dir sich entfalten,
öffne dich im Vertrauen auf das Leben,
lass dir vom Neuen Mut und Kraft geben.

Schau nicht nur von außen auf die Welt,
suche nach dem, was sie innen verborgen hält,
öffne die Früchte, die du dir erwirbst
und erkenne ihren Inhalt bevor du stirbst.

Nur wer stets strebend sich bemüht,
wer zwischen Dunkel und Licht seines Weges zieht,
wer stets die Mitte im Auge behält,
und sich jedes Mal erhebt, wenn er fällt,

erkennt in seines Suchens letzter Sicht
sich selbst in seinem wahren Licht
und wartet dann nicht mehr vergebens
auf die Frucht des Baums des Lebens.