Die Welt des Wolfs

Die Legende von Gott und den Menschen



Es war einmal der Mensch
und der Mensch war bei Gott,
am Anfang war der Mensch vollkommen wie Gott
und beide gefielen einander.

Die Menschen waren wie das Licht
und lebten im Licht,
ein Mensch war wie der andere
und keiner wollte anders sein.

Da kam ein Zauberer vorbei,
dem war dieser Friede zuwider und er stichelte:
"Ihr seid alle gleich, aber Gott ist einmalig,
wärt ihr wie Gott, wäre jeder von euch das auch."

Da gingen sie zu Gott und sagten:
"Wir wollen auch einzig sein
mit freiem Willen wie du."
Und Gott antwortete mit seinem Wort:

"Ich gebe euch ein Leibeskleid,
das tragt für eine gewisse Zeit,
darin ist jeder so wie ich
und lebt ganz frei für sich."

Und Gott schickte sie fort
an einen anderen Ort.
Da verloren sie das gemeinsame Licht
und erkannten sich dafür als eigenes Ich.

Die Menschen waren es zufrieden,
bis eines Tages der Zauberer wieder erschien
und mit seiner gespaltener Zunge
Zwietracht unter ihnen säte:

"Gott gab euch zwar einen Leib und aufrechten Stand
und schickte euch hierher in dieses Land,
doch sieht er nur sich selbst in euch
und alle seid ihr ihm immer noch gleich.

Sie sahen einander an
und dachten, er hatte Recht,
da fanden sie, ob Frau oder Mann,
das war für alle schlecht.

"Was können wir tun? Was hilft uns weiter?
Wir haben keine anderen Kleider."
"Ich habe Kleider für jeden von euch,
kommt her und probiert sie an sogleich."

Sie bedeckten ihre Blöße
und erblickten sich in neuer Größe,
doch bald begann ein Streit,
wer der Beste unter ihnen sei.

Der Streit hält an bis heute,
ihre Kleider machen die Leute,
doch Gott betrachtet sie von fern
und hat sie immer noch gern.

Auch wenn die Menschen sich selber stärken
und Masken ihr Gesicht verbergen,
kennt er ihr wirkliches Wesen,
das unter allen Hüllen ruht.

Obwohl es für die Menschen verborgen ist,
für ihn ist es echt und wahr,
sie sind alle seine Kinder
und das ist für ihn gut.

Einmal schickte er zu ihnen,
den, den er liebte als seinen Sohn,
der sollte unter ihnen zeigen,
wie der Mensch in Wahrheit ist.

Doch sie erkannten in ihm nicht
das göttliche Licht
und hörten nicht auf das Wort,
das er zu ihnen von seinem Vater sprach.

Statt seine Liebe zu verstehen,
aus der sie alle geschaffen sind,
ließen sie ihn an einem Kreuze enden,
durch das er zum Vater ging wie ein Kind.

Wenn dann der Menschen Ende naht,
für jeden in seiner Stunde,
ruft er alle wieder an seine Statt
aus ihrer fernen Runde.

Manch einer legt dann die fremden Kleider ab,
kehrt nackt und bloß zurück ins Licht,
andere nehmen sie mit ins Grab
und finden den Rückweg nicht.

Die holt der Zauberer in sein Verließ
und füllt mit ihnen sein Reich,
dort sind in seiner Finsternis
dann auch wieder alle gleich.




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