Die Welt des Wolfs

Parzival

oder Der lange Weg zum nahen Ziel


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1

Es war einmal, vor vielen Jahren,
da wurde erzählt von eines Ritters Fahrten,
der wollte Abenteuer in der Welt bestehen
und zugleich den Weg zu sich selbst gehen.

Jetzt tun das andere, ohne Pferd und unbekannt,
die unterwegs sind, unerkannt in ihrem Land,
um den Pfad zum Tor der Gralsburg zu gehen,
ohne zu wissen, dass sie dort vor sich selbst stehen.

Sie wandern allein durch Tal und Wald,
getrieben von einer Sehnsucht mit Gewalt,
weil ihnen von sich noch etwas fehlt,
das sie suchen draußen in der Welt.

War es damals schon möglich zu irren,
heute ist es normal sich zu verirren
und es fehlt unterwegs der ratende Eremit,
um zu korrigieren den falschen Schritt.

2

Die Menschenwelt trägt seit einiger Zeit
ein sehr anspruchsvolles Kleid,
selbst im kleinsten ihrer Winkel
herrscht der größte Stolz und Dünkel.

Der spiegelt auch dem Letzten vor,
es stehe kurz sein Hauptgewinn bevor,
doch wie sehr er auch danach rennt,
er bleibt doch immer von ihm getrennt.

Denn keiner sitzt in seinem Lauf
auf einem hohen Pferde drauf,
ohne dass er, lange vor dem Ziele,
nicht unsanft aus dem Sattel fiele.

Selbst die paar, die noch bescheiden bleiben
und keine Höhenflüge betreiben,
haben es schwer sich zu orientieren
und ein einfaches Leben zu führen.

3

An Verkehr, da fehlt es nicht,
es mangelt an der klaren Sicht
und so geht es her und wieder hin,
leider meistens ohne Sinn.

Zwar werden alle bestimmt bestätigen,
sie hätten dringend etwas zu erledigen
oder sie wollen einfach nur ergreifen,
was auch andere nach Hause schleifen.

Bei allem, nach dem ein jeder so angelt,
bleibt oft unbekannt, was wirklich mangelt,
so hilft nicht viel, was einer erreicht,
weil es nicht dem Fehlenden gleicht.

Um dieses einmal zu erkennen,
statt nach dem Falschen umher zu rennen,
darf keiner in die Schaufenster sehen,
sondern muss jeder in sich gehen.

4

Damals konnte der Reiter noch vom Rosse steigen
und sein Haupt vor einem Höheren neigen,
heute gilt es für einen Menschen überhaupt,
dass er wieder an etwas Höheres in sich glaubt.

Denn ohne einem Ideal zu gleichen,
kann niemand es einmal erreichen,
wer sich als Bilde eines Höchsten sieht,
wird auch von diesem zu sich geführt.

Nur wer sich selbst im Werden erkennt
und sich nicht nach falschen Bildern von sich sehnt,
kann auch die nötige Ausdauer erbringen,
um den Sieg über sich zu erringen.

Selbst der größte Missetäter
kann sich früher oder später
vor seinen inneren Spiegel stellen
und sein wahres Bild erhellen.

5

Doch statt diesem sich zu nähern
und die Kraft des Ichs zu mehren,
strauchelt in der Vielfalt leicht der Schritt
und das Ideal verliert sich dann leicht mit.

Auch wenn kein Einsiedler am Wege sitzt
und selten die Wahrheit von allein aufblitzt,
ist es doch möglich innerlich zu reifen
und sich als Pilger auf dem Weg zu begreifen

zu dem Schatz, der in jedem liegt,
und den zur Belohnung jener kriegt,
der siegt gegen sich selbst in den Duellen,
die sich ihm entgegen stellen.

Der Feind ist nicht, was draußen droht,
im Inneren lauert die wahre Not,
wem es gelingt, sich zu überwinden,
der wird zur Wahrheit in sich finden.

6

Gerade weil keine Hilfe naht
braucht es den Mut zur eigenen Tat,
auch weil kein Ich ein gleiches hat,
kann niemand handeln an seiner statt.

Der Weg, der zu sich selber geht
und der in keinem Buche steht,
führt mitten hindurch zwischen allen andern,
die ihrerseits unterwegs zu sich wandern.

Es findet zu sich nur, wer sich liebt
und seine Liebe auch weiter gibt,
um diese zu erlangen, trotz allem Streit,
ist kein Weg zu lang und keiner zu weit.

Aus der Liebe ist jeder hierher gelangt,
wenn sie fehlt, ist die Seele erkrankt,
durch die Liebe kehren alle von hier zurück,
in ihr findet jeder sein heimliches Glück.

7

Die Herausforderung kommt von innen,
auf sich selbst muss sich der Held besinnen
und mit seiner Lanze nicht auf einen Gegner stechen,
sondern sie wie eine Antenne senkrecht nach oben recken.

Über ihm schwebt sein künftiges Bild,
das es zu erreichen gilt,
mit den Kräften, die ihn dahin führen,
kann er sich verbunden fühlen.

Er braucht keine Rüstung, keinen Schild,
ihn schützt die Wahrheit, die ihn erfüllt,
sie trägt er wie ein strahlendes Kleid,
auch wenn er anderen als Narr erscheint.

Auf der Suche nach dem göttlichen Kern
leuchtet  über ihm der Christusstern,
er ahnt ihn nur, oft zweifelt er,
doch einsam ist sein Gang nicht mehr.

8

Fern lebt der Mensch von sich,
fremd ist er seinem eigenen Ich,
wenn er sich verwechselt mit seinen Hüllen,
statt diese mit seinem Sinn zu erfüllen.

Solange er sein Eigenes nicht kennt,
bleibt er auch vom Anderen getrennt,
erst wenn er sein Wunder zu würdigen versteht,
weiß er zu schätzen, aus was die Welt besteht.

Wer das andere respektiert und segnet,
streitet nicht mit dem, was ihm begegnet,
nur wer im Niedrigen das Höhere fühlt,
erkennt auch über sich sein Ebenbild.

Wenn sich der Schleier schließlich hebt,
zeigt sich das Ziel, das dahinter lebt,
und dem Suchenden wird offenbar,
wie nah der Gral stets verborgen war.


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