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Die Welt des Wolfs

Die Legende von den Samen Gottes




1

Gott hatte gerade seine Erschaffung der Welt vollbracht
und sich zum Schluss noch an ein Selbstbildnis gemacht,
bald war auch dieses Werk geglückt
und der erste Mensch hatte die Welt erblickt.

Er war zufrieden mit seinem Ebenbild,
doch hatte er diesem seine Herkunft verhüllt,
er wollte sein Geschöpf in einem Garten betreuen,
um sich dort mit seinem Anblick zu erfreuen.

Dann schuf er noch ein zweites Exemplar,
das nicht männlich, sondern weiblich war,
sie konnten beide machen, was sie wollten,
es gab nur zwei Früchte, die sie nicht essen sollten.

Eine Schlange jedoch, die gern schwätzte,
schlich sich in den Garten hinein und petzte:
„Ihr seid nicht so wie andere Kreaturen realisiert,
in euch hat Gott sich selbst investiert.

Wer von einer der verbotenen Früchte isst,
wird so mächtig wie der Schöpfer selbst ist."
Ohne zu fragen, ob das der Wahrheit entsprach,
folgten die Menschen blind ihrem falschen Rat.

2

Kaum hatten sie jedoch die Frucht probiert
hat Gott die Verwandlung der beiden gespürt
und sagte sich: „Ich will sie von hier vertreiben,
bevor sie sich auch das zweite Obst einverleiben.

Doch er war auch bereit, seinen Beschluss zurückzunehmen:
„Wenn eure Nachkommen sich so benehmen,
wie es sich für meine Kinder gebührt,
werden sie wieder zurück zu mir geführt.

Wie göttlicher Samen sollen sie sein,
doch wachsen müssen sie von allein
und zwar in einem anderen Garten,
wo Mühsal und Leiden auf sie warten.“

Seine Entscheidung stand fest, gesagt, getan,
sie sollten woanders weiter machen fortan,
wo sie arbeiten mussten und Kinder gebären,
zum Überleben und um sich zu mehren.

Niemand weiß, war es Absicht oder ein Versehen,
Gott ließ auch die Schlange mit ihnen gehen,
diese näherte sich weiter seinen Kindern,
um sie an der Rückkehr zu ihm zu hindern.

3

Der Garten der Erde war gar nicht weit
entfernt vom Eden der alten Zeit,
doch je länger die Menschen dort verblieben,
desto mehr vergaßen sie, ihren Ursprung zu lieben.

Sie arbeiteten fleißig über Generationen,
und aus ihren Kindern wurden Millionen,
sie bauten sich Städte und Industrie,
erfanden Maschinen mit ihrem Genie.

Ihre Welt glich jedoch weiter einem Garten,
in dem Samen auf ihr Wachstum warten,
für alle schien die Sonne gerecht,
doch mehr noch fanden manche schlecht.

Die Erde der einen war humusreich,
um andere wucherte dorniges Gesträuch,
manche fielen auf kargen Grund
und wuchsen zwar, aber nicht gesund.

Unterdessen lockte die Schlange: „Ihr seid so schön,
lasst kein Vergnügen vorüber gehen,
das Leid kommt noch früh und auch der Frust,
was wollt ihr euch mühen, befriedigt eure Lust.“

Immer mehr Menschen wurden zwar gezeugt,
doch immer weniger wurde der Weg gezeigt,
um sich auf ihr Urbild zu besinnen,
so dass sie wurzeln konnten und Früchte bringen.

4

Es waren bald acht Milliarden Menschen erreicht,
von denen ein Samen wie der andere noch dem ersten gleicht,
die sich jedoch verloren wie Fische im Meer,
kaum einer zeigte noch seinen göttlichen Ursprung her.

Die Erde wäre fast verödet und die Samen verdorrt,
da kam ein erlösendes Wort
für alle auf der Erde als Zeichen:
Der Himmel will euch wieder erreichen.

Ein göttlicher Gärtner erschien,
und befruchtete jeden Samen mit seinem Sinn,
allen, die ihm öffneten ihre Hüllen,
widmete er seinen liebenden Geist und Willen.

Für das, was die Samen draußen nicht mehr nährte,
fanden sie jetzt in ihrer Schale neue Werte,
dadurch konnten die Menschenkinder zum Wachsen und Reifen
in sich selbst eine zusätzliche Kraft ergreifen.

Wenn sie sich verfingen in der Schlange Schlingen,
konnte ihnen dadurch der Rückweg gelingen,
wenn Verzweiflung sie ergriffen hatte,
half ihnen der Gärtner, der sich ihnen nahte.

Damit begann ein erfolgreiches Geschehen,
wer sich erheben wollte, fand Stab und Stecken,
wer weiter nur Sklave blieb seiner Lüste,
blieb mit der alten Schlange zurück in der Wüste.

5

Es gibt einen Anhang zu dieser Legende,
dadurch bekommt sie ein anderes Ende:



Was Gott gesegnet hat, das bleibt mit ihm verbunden,
auch was weit sich entfernt, wird von ihm wieder gefunden,
dies gilt für jeden einzelnen seiner Menschensamen,
die er alle kennt und ruft bei ihrem Namen.

Wenn es einer von ihnen nicht schafft,
sich aufzurichten aus eigener Kraft,
wird er weder verworfen noch verdammt,<
sondern von ihm weiter als Kind anerkannt.

Jeder kann, nach etwas Ruhe und Warten,
dann einen wiederholten Versuch starten,
bis irgendwann das Glück der Erlösung winkt
und die Rückkehr in das alte Paradies gelingt.

Seit der Gärtner den unteren Garten betreut,
beginnt für die alten Samen eine neue Zeit,
er hilft ihnen, ihre Fehler auszugleichen
und ihren Ursprung wieder zu erreichen.

Es mag zwar dauern eine lange Frist,
aber wenn die Erde einmal vertrocknet ist,
werden auch viele sein unter den Bekehrten,
die lange noch auf die Schlange hörten.



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