Für Smartphones wird empfohlen, sie zum Lesen horizontal zu halten!

Die Welt des Wolfs

2. Brief (vom 25. 10. 1999)

Über die Mitte

Wir teilten uns die Welt auf, lebten entweder hier oder dort. Wir suchten immer nach einer Entscheidung, wollten eine Wahl treffen, waren für oder gegen etwas eingestellt. Wir lebten aus dem Gefühl oder aus dem Verstand heraus und zergliederten das Leben in einzelne Seiten. Wir grenzten uns voneinander ab, pflegten unsere Vorlieben und Abneigungen und versuchten, unser Schicksal für uns allein zu meistern.

Ihr lebt in den Ruinen, die wir Euch hinterlassen haben. Ihr habt das Resultat vor Augen, zu dem unsere Haltung führte. Wolltet Ihr so weiterleben wie wir, es wäre das Ende des Lebens der Menschheit auf der Erde. Aber Ihr habt die Lösung gefunden, die Euch aus den Verirrungen unseres Leben herausführt.

Für Euch ist der Sinn des Lebens nicht mehr das Festhalten am Vergangenen oder das Streben nach Zukünftigem, sondern für Euch zählt der Augenblick der Gegenwart, den es mit Leben zu erfüllen gilt. Ihr trennt nicht mehr zwischen links und rechts, oben und unten, früher oder später, sondern lebt in der Mitte des Raums und der Zeit.

Das Leben aus der Mitte ist das Leben aus dem Herzen heraus. Ihr denkt nicht nur mit dem Verstand, sondern könnt auch mit dem Herzen erkennen, Ihr fühlt nicht nur die Lust des Leibes, sondern genießt auch die Freude des Herzens.

Aus der Mitte heraus leben und selbst Mitte sein zu können, daraus erwächst euer Engagement und Eure Verantwortung, darin findet ihr Eure Heiterkeit und Lebensfreude.

Wir redeten auch viel von Mitte, aber wir meinten damit immer unsere eigene Seite, den Standpunkt, den wir selbst bezogen hatten. Wir wollten, dass sich die Welt und unsere Mitmenschen um uns drehten, dass sie sich auf unsere Haltung bezogen. Ihr werdet in der Lage sein, Euch in die Mitte zwischen alle anderen Erscheinungen der Welt und alle verschiedenartigen Menschen hineinzustellen und darin Euer eigenes Leben zu führen.

Ihr wollt die Widersprüche der Welt nicht abschaffen, sondern öffnet Eure Herzen für die Gegensätzlichkeiten und versteht es, sie in Euch miteinander zu versöhnen. Wir suchten unsere Unabhängigkeit und fanden Isolation und Einsamkeit, Ihr findet die Mitte darin und seid geborgen in allem.